Schmetterlingskinder in Kitas und Schulen
Die Frage nach der richtigen Betreuung und der richtigen Schule treibt alle Eltern um. Bei Epidermolysis bullosa kommt hinzu, dass allein die räumlichen Gegebenheiten nicht für jedes Kind gut geeignet sind: Gedränge an den Türen, Stolperstellen, Ecken und Kanten. Ist das Förderzentrum besser, wo alles barrierefrei ist und viele Fördermöglichkeiten vorhanden sind? Oder sollte Ihr Kind die herkömmliche Schule besuchen, weil dort auch die Gleichaltrigen aus der Nachbarschaft sind? Ein Schulbegleiter kann Nachteile aus der Behinderung individuell ausgleichen.

Passende Kita oder Schule bei Epidermolysis bullosa
Diese Seite möchte Ihnen bei Fragen zu Kita- und Schulbesuch weiterhelfen. Soll mein EB-Kind in die Kita? Wenn ja, ab wann? Und vor allem: in welche Kita?
Bei der Schule stellt sich die Frage nach dem Warum nicht mehr. In Deutschland herrscht Schulpflicht und die gilt auch für Ihr Kind mit Epidermolysis bullosa. Jedoch: integrativ oder inklusiv? Schon die Begrifflichkeit ist leider komplex und wird (abseits der Fachwelt) sehr unterschiedlich interpretiert. Zudem ist im Bereich Behinderung derzeit vieles im Umbruch und die Verhältnisse unterscheiden sich in Deutschland je nach Region stark. Vereinfacht dargestellt gibt es drei Formen:
- Fördereinrichtungen
Das sind Kitas und Schulen, in denen nur Kinder betreut und/oder unterrichtet werden, die einen bestimmten Förderbedarf haben – körperlich, seelisch oder geistig. Auch heilpädagogische Kitas oder Gruppen im Frühförderzentrum zählen hierzu. - Integrative/inklusive Einrichtungen oder Integrativgruppen
Das sind Kitas und Schulen, die sich auf die Förderung von Kindern mit Behinderungen eingestellt haben, die aber auch von Kindern ohne Behinderungen besucht werden. Für die Gruppen/Klassen mit Integrationskindern steht mehr Fachpersonal zur Verfügung. Einen Integrativplatz bzw. Integrationsplatz müssen Sie beantragen. - Herkömmliche Kita oder Schule, Inklusion/Integration
Alle Kitas und Schulen integrieren Kinder mit Behinderungen – bzw.: müssen sie mit einschließen.
Die Begriffe Inklusion und Integration werden oft vermischt. Es hilft, den genauen Unterschied zu kennen, denn dann werden Sie die Gegebenheiten mit anderen Augen betrachten und bei Bedarf auch besser argumentieren können.
Integration bedeutet, dass ein Kind in die bestehenden Verhältnisse integriert wird und Unterstützung erhält, z. B.: An einer Stufe wird dem Kind im Rollstuhl geholfen.
Inklusion bedeutet, dass die Verhältnisse so geändert werden, dass ein Kind eingeschlossen ist, z. B.: An der Stufe wird eine rollstuhlgängige Rampe eingebaut.
Wenn Sie im Internet recherchieren, werden Sie viele Empfehlungen und Meinungen zu dem Thema finden. Leider gibt es kaum eine Empfehlung, der man nicht sofort ein „Ja, aber“ entgegenhalten könnte.
- Einfache Empfehlungen sind oft sofort einleuchtend. Der Pferdefuß ist, dass sie komplexere Aspekte meist außer Acht lassen.
- Fachlich fundierte Empfehlungen sind oft so kompliziert, dass die Begrifflichkeiten und die langen Sätze das Verständnis erschweren.
Letztlich müssen Sie für Ihr Kind mit Epidermolysis bullosa entscheiden, welche Einrichtung Ihnen als die beste erscheint. Da jedes Kind andere Begabungen hat und die EB-Form große Unterschiede macht, wollen wir keine Ratschläge erteilen. Sondern versuchen, Ihnen Entscheidungshilfen in Form von Fragen und Überlegungen an die Hand zu geben.
Erfahrungsbericht
Nina erzählt: Was bedeutet Mobbing für mich?
Nina, selbst von Epidermolysis bullosa betroffen, erzählt in unserem Blog, wie wichtig Integration und Verständnis für die Betroffenen ist. Lesen Sie hier den Beitrag.
Entfernung zur Kita oder Schule
Fördereinrichtungen sind oft weiter entfernt. Das bedeutet täglich weite Wege. Allerdings: Viele Einrichtungen kooperieren mit Fahrdiensten und es gibt eine kostenfreie oder kostengünstige Beförderung ins Förderzentrum oder in die Förderschule. Sie müssen sich also nicht um den Schulweg kümmern. Nachteil: Die Nachbarskinder gehen in eine andere Kita/Schule.
- Im Alter von unter drei Jahren spielt das entwicklungspsychologisch eine geringe Rolle. Die Kinder sind noch stark mit sich selbst beschäftigt.
- Im Kindergartenalter von drei bis sechs Jahren entwickeln sich erste Freundschaften – die allerdings noch häufig wechseln.
- Im Schulalter werden Freundschaften immer wichtiger. Das ist ein Argument dafür, Kinder in die benachbarte herkömmliche Schule zu geben – damit sie auch am Nachmittag ohne weite Fahrwege Kontakt halten können.
- Im Jugendalter werden die Gleichaltrigen wichtiger als die Eltern. Das sollten Sie, falls ein Schulwechsel ansteht, bedenken.

Fähigkeiten von Schmetterlingskindern
Kinder mit Epidermolysis bullosa sind in keiner Form geistig eingeschränkt. Eher sogar im Gegenteil: Der Umgang mit der Erkrankung führt dazu, dass sie früher reflektieren oder komplexe Zusammenhänge begreifen. Körperliche und handwerkliche Berufe sind bei Epidermolysis bullosa eher selten geeignet. Umso mehr ist Ihr Kind darauf angewiesen, dass seine intellektuellen Fähigkeiten bestmöglich gefördert werden. Damit kann es motorische Einschränkungen ausgleichen. Es ist also genau zu überlegen, ob der Besuch einer Fördereinrichtung für Ihr Kind hilfreich oder gar kontraproduktiv ist.

Körperliche Einschränkungen
Wenn Ihr Kind starke körperliche Einschränkungen hat oder auf den Rollstuhl angewiesen ist, sollten Sie auf Barrierefreiheit achten. Moderne Kita- und Schulbauten sind i. d. R. barrierefrei. Historische Schulgebäude sollten Sie genau inspizieren:
- Sind die Treppen für Ihr Kind benutzbar? Gibt es einen Aufzug? Sind die Türen bedienbar?
- Enge Gänge, Schwellen, Ecken und Kanten? Wie wahrscheinlich sind Rempeleien und Stürze? Wie lassen sie sich vermeiden – z. B. indem Ihr Kind den Klassenraum etwas früher aufsucht und etwas später verlässt?
Doch es geht nicht nur um bauliche Gegebenheiten, sondern auch um das Klima und den Raum – im direkten und im übertragenen Sinn:
- Wie frei und flexibel ist die Platzwahl für Ihr Kind? Keine direkte Sonne, nicht neben dem Heizkörper, keine Zugluft?
- Gibt es auf dem Spielplatz/Pausenhof ruhige Bereiche, in denen sich Ihr Kind wie in einem geschützten Raum frei bewegen kann?
- Ist es möglich, dass Ihr Kind bei Bedarf in der Pause im Klassenzimmer bleibt, weil es sich schlecht fühlt, weil kalter Wind die Augen austrocknet, weil Hitze Blasen fördert? Dürfen Freunde Ihrem Kind dann Gesellschaft leisten?

Recht auf inklusive Beschulung
Grundsätzlich hat jedes Kind ein Recht auf eine inklusive Teilhabe in Kita und Schule. Sie können dieses Recht durchsetzen – im Notfall auch gerichtlich. Die Frage ist, wie Ihr Kind behandelt wird, wenn Sie dieses Recht gegen Widerstände durchgesetzt haben.
Erfahrungsgemäß liegt es vor allem an der Haltung der Menschen, die in den Einrichtungen betreuen und unterrichten, ob die Inklusion gelingt und ob Sie und Ihr Kind ein gutes Gefühl haben. Es gibt Kitas und Schulen, dort werden Sie und Ihr Kind mit offenen Armen empfangen und Sie spüren das Bemühen, sich um Ihr besonderes Kind auch wirklich zu kümmern. Und Sie können die Erfahrung machen, dass Ihr Kind zwar „selbstverständlich“ aufgenommen wird – Sie spüren aber mit jedem Wort, dass dies als schwierig, aufwendig und kompliziert empfunden wird.
Hören Sie deshalb jenseits von äußeren Rahmenbedingungen und Sachargumenten auch auf Ihr Bauchgefühl.
Informieren Sie sich und informieren Sie die Einrichtung
Um all diese sachlichen Fragen und atmosphärischen Aspekte zu klären, sollten Sie sich frühzeitig bei den in Frage kommenden Einrichtungen melden. Machen Sie Termine vor Ort aus. Beschreiben Sie genau, wo die Gefahren für Ihr Kind liegen und wo es Einschränkungen hat bzw. Hilfe oder Rücksicht braucht. Fragen Sie gezielt, wie den Bedürfnissen Ihres Kindes entsprochen wird. Bringen Sie – vorsichtig, aber deutlich – Ihre Ängste und Befürchtungen vor. Diskutieren Sie konkret, wie man Gefahrenquellen entschärfen kann.
- Hören Sie nicht nur den Worten zu, sondern vertrauen Sie Ihrem Gefühl: Ist mein Kind hier gut aufgehoben? Wird es wirklich gefördert? Wird es Freude haben, hierherzukommen, mit anderen Kindern zusammen zu sein und zu lernen?
- Informieren Sie aber auch von sich aus umfassend. Wissen zu Epidermolysis bullosa ist in der Regel nicht vorhanden. Nur wenn die künftigen Lehrer und Betreuer ein richtiges Bild bekommen, wird das Miteinander gelingen.
- Sprechen Sie auch darüber, wie die anderen Kinder und Eltern informiert werden. EB ist nicht ansteckend, aber das müssen alle wissen. Eine Umarmung ist eine liebevolle Geste – aber nicht bei EB. Kinder helfen einander gerne, aber sie müssen wissen wie.
Bei aller Besonderheit: Die Schule sollte auch darauf achten, dass Ihr Kind keinen Sonderstatuts bekommt. Die Haut ist empfindlich, das erfordert Rücksicht und manchmal Ausnahmen. Aber Regeln gelten auch für Ihr Kind, es sollte nicht übermäßig gelobt oder häufig separat erwähnt werden.

Schulbegleiter für Schmetterlingskinder
Integrationshelfer, Schulbegleiter, Schulassistent, Individualbegleiter – das alles sind Begriffe für ein und dieselbe Sache: Ihr Kind bekommt einen persönlichen Begleiter, der es direkt in der Schule, im Klassenzimmer unterstützt. Prinzipiell ist diese Hilfe sehr vielgestaltig – bei Epidermolysis bullosa geht es meist um motorische Unterstützung: beim Tragen von Schulmaterialien, beim Ein- und Auspacken, beim Blättern, Greifen etc.
Integrationshilfen sind immer individuell abgestimmt. Ziel ist, dass Ihr Kind am regulären Programm der Einrichtung und am Unterricht teilnehmen kann. Das geht auch über das Klassenzimmer hinaus, also z. B. Hilfe beim Toilettengang oder Begleitung bei Ausflügen der Einrichtung.
Bezahlt wird der Integrationshelfer im Falle von körperlichen Beeinträchtigungen über die Eingliederungshilfe und muss deshalb beim zuständigen Träger beantragt werden. Der genaue Hilfebedarf für Ihr Kind wird dann im Gespräch mit dem Träger und der Schule festgelegt. Von Seiten der Schule sind in der Regel der zuständige Lehrer, der Schulpsychologe und/oder der Schulsozialarbeiter beteiligt.
Details finden Sie auf der Seite Behinderung > Eingliederungshilfe
Prinzipiell ist eine Schulbegleitung auch in Förderschulen möglich. Allerdings sind dort schon so viele Hilfen und Helfer vorhanden, dass ein EB-Kind keinen zusätzlichen Schulbegleiter braucht.
Schulbegleiter werden am häufigsten in der Grundschule genehmigt. Mit zunehmendem Alter wissen sich die Kinder besser zu helfen oder haben Hilfsmittel, welche die Behinderung ausgleichen. Das ist auch ein Ziel der Inklusionshilfe: dass Ihr Kind so selbstständig wird, dass es auch ohne Schulbegleiter zurechtkommt.
Relativ selten sind Inklusionshilfen in Kitas. Wenn Sie glauben, dass diese Lösung für Sie in Frage kommt, sprechen Sie frühzeitig mit der Frühförderung und dem Kinderarzt über die verschiedenen Möglichkeiten. Eine Alternative ist ein Platz in einer heilpädagogischen Kita (bei EB eher selten) oder ein Platz in einer Inklusionsgruppe. Einen Inklusionsplatz müssen Sie auf jeden Fall beantragen. Das sollte rechtzeitig erfolgen.

Begutachtung für Integrations-/ Inklusionsplatz
Die Plätze in inklusiven Einrichtungen oder Gruppen sind begrenzt. Deshalb findet vorher eine amtsärztliche Begutachtung statt, ob Ihr Kind diesen Platz auch wirklich braucht oder ob eine andere Lösung besser erscheint. Bringen Sie zu dieser Begutachtung beim Amtsarzt alle Atteste, Befunde und Gutachten mit, die bereits ausgestellt wurden. Wichtig ist die detaillierte Erklärung der Krankheit, da Wissen zu Epidermolysis bullosa nicht vorausgesetzt werden kann.

Nachteilsausgleiche in der Schule
Wenn Ihr Kind aufgrund von Behinderungen zwar keinen Schulhelfer braucht, aber langsamer arbeitet, können Sie mit der Schule oder Hochschule einen sog. Nachteilsausgleich vereinbaren. Der Nachteilsausgleich wird wie die Schulhilfe immer individuell abgestimmt. Wenn Ihr Kind z. B. aufgrund der Blasenbildung nur langsam schreiben kann, können Prüfungszeiten verlängert oder das Schreiben mit Laptop erlaubt werden. Die Teilnahme an Handarbeit/Werken oder am Sportunterricht kann individuell abgesprochen oder ausgesetzt werden. Oder Ihr Kind nimmt zwar teil, soweit es möglich ist, es bekommt aber keine Noten.

Eingliederungshilfe
Fördereinrichtungen, heilpädagogische Kitas, Integrationsgruppen und Integrationshelfer gehören i. d. R. zur Eingliederungshilfe. Diese zählte bis 2019 zur Sozialhilfe, doch das hat sich gesetzlich grundlegend geändert. Die Bundesländer regeln deshalb auch die Zuständigkeiten neu. Einen nach Ländern geordneten, aktuellen Überblick finden Sie unter www.umsetzungsbegleitung-bthg.de/gesetz/umsetzung-laender/. Die Anträge sind beim entsprechenden Träger zu stellen. Werden die Anträge bewilligt, zahlen Sie als Eltern nichts oder nur einen Anteil für das Essen.
Mehr Details zur Eingliederungshilfe
Der Schulbesuch an sich ist kostenlos. Auch die Fahrt zu weiter entfernten Schulen ist meist kostenlos oder es wird ein kleiner Eigenbeitrag erhoben.
Selten ist im Kita-Bereich oder bei Betreuung durch eine Tagesmutter („Tagespflege“) auch das Jugendamt zuständig.
Gute Informationen bekommen Sie immer bei der nächstgelegenen Frühförderstelle. Die Mitarbeiter kennen sich mit den regionalen Besonderheiten und Einrichtungen aus, denn Kita- und Schulwesen sind Ländersache und entsprechend unterschiedlich sind die Strukturen und das praktische Vorgehen.
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